Adalgisa Škopac habe ich vor drei Jahrfünften kennengelernt, anlässlich einer ihrer selbstständigen Ausstellung in der Italienischen Gemeinschaft in Rijeka. Ihre Malerei war damals dem Thema des Meeresgrundes gewidmet, und die koloristisch glänzende Dimension ihrer Gemälde, sowie die Lebenskraft des Gegenstands waren tragende Elemente dieser Phase ihrer Kreativität. Realistisch, allusiv, manchmal sogar an der Grenze zur Abstraktion.
Bei meinem nächsten Zusammentreffen mit der Künstlerin, ein paar Jahre später, anlässlich einer VeranstKritikerin der bildenden Kunst altung des Maler-Treffens Ex Tempore in Grožnjan, habe ich bemerkt, dass sie auch weiterhin durch Natur angeregt wird, aber dieses Mal stand die Landschaft im Zentrum ihres Interesses, und zwar die Landschaft Istriens. Ihre Landschaft, die sie als Formulierung mehrerer sich schneidenden Komponenten erarbeitet hat, die geschickt miteinander verbunden sind, was ein Vermächtnis expressionistischer aber auch matisse-fauvistischer und kubistischer Provenienz ist. Mit feuerigen Rotnuancen ausgefüllte herzförmige Baumkronen und kleine saubere Häuser an ihren Füßen, wellige Wiesen und blauer Himmel, einzelne kompositorische Zäsuren, aus Formen und Farben zusammengestellt, die ausgegraben werden aus einer Realität – Nichtrealität, in der die Künstlerin ganz bewusst Perspektiven, Dimensionen, Proportionen, Volumen, Raum usw. ignoriert. Es war etwas Neues für mich, dieser kreative Fortschritt der jungen istrischen Malerin.
Das letzte Zusammentreffen mit Adalgisa – vor kurzem - war noch eine Überraschung für mich: sie hat mir ihre Bilder gezeigt, viele Bilder, mit unterschiedlichen Dimensionen, die in den letzten Jahren entstanden sind, alle mit dem gleichen Thema: Blumen aus dem Zyklus „Düfte der Farben“( „Le fragranze dei colori“). Ich wusste nicht, dass sie außer an Landschaften (und es ist das Thema, das sie mit einer besonderen Frische und Originalität erarbeitet hat und das sie hoffentlich nicht beiseite legen wird) auch an Blumenkompositionen interessiert ist, in denen ihre Kreativität, ihre unleugbare Sensibilität, Frische, Eleganz und ihre unbestreitbare technische Fähigkeit überhaupt nicht verloren gehen. Noch ein offensichtlicher und angenehmer Aspekt ihrer vielseitigen und musterhaften Kreativität.
Für ihre Blumenkompositionen verwendet die Küstlerin die Technik der Collage. Und es ist eine Collage, die durch Zusammenfügen von gerissenen Papierstücken erhalten wird. Die Spur, die von einer Schere hinterlassen wird, ist zu perfekt und nicht so ausgiebig - wenn das Papier aber mit Händen gerissen wird, erhält man jenen unerwarteten weißen Rand, manchmal ganz dünn und manchmal ziemlich stark, immer unregelmäßig, der zu einem neuen, besonderen grafischen Element wird, gefolgt von schwarzen, mit der Hand der Künstlerin absichtlich nachgezogenen Linien. Und gerade diese schwarzen Linien, die so entschlossen gezogen werden, ausgiebig, sicher, fluid, dynamisch, mit einer stark expressiven Wirkung, ergänzen sich ausgezeichnet mit einem Kaleidoskop aus bunten Formen, mit Korollen, Kron- und Kelchblättern und Stielen und Blättern ...
In diesem formalen Überschuss an behandelten Motiven, im Glitzern von einzelnen Blumen, Buketten, blütenden Wiesen und Beeten, nimmt sich die Künstlerin vor, nur ihr Wesenhaftes darzustellen, indem sie diese exemplifiziert und auf deren Details verzichtet, und es ist ihr gelungen. Den rafinierten Kompositionen hat sie Leben eingehaucht, und zwar in formalen, grafischen und koloritischen Abstimmungen.
Und so wird der Weg von Adalgisa, einer künstlerischen Persönlichkeit von zweifelsfreiem Wert, über vielartige Forschungen - immer im figurativen Bereich: Meeresgrund, istrische Landschaft, Blumen – fortgesetzt, wobei sie schon lange und glücklich in das künstlerische Panorama ihres Labins und ihrer Region eingefügt ist. Und noch weiter.
Erna Toncinich
Rijeka, 2011.
Düfte der Farben im Weißen
ADALGISAS poetische Seele
Adalgisa Škopac habe ich vor langer Zeit kennen gelernt und so hatte ich die Gelegenheit, ihrem künstlerischen Weg zu folgen, was ich mit großem Interesse und besonderer Lust gemacht habe, wegen des künstlerischen Wertes ihrer Werke, wegen des echten Reichtums, welcher aus ihrem lebendigen und authentischen Inneren und ihrer bemerklichen Malerbegabtheit hervorsprießt und gleichzeitig durch eine betonte Sensibilität geprägt ist, die jedes ihrer Werke begleitet. Es geht um eine Malkunst, die durch die Frische des verwendeten expressiven Malerwortschatzes, die Reinheit der Farben und Düfte der von der Malerin im Herzen geschlossenen istrischen Landschaften sofort erobert und einen zum Bewundern bringt. In diesen visualisiert Adalgisa mit fast angeborener froher Wesensart ihre inneren Dialoge mit den kleinen Häusern, die sich poetisch unterstützen und sich immer in der Nähe von den großen Bäumen befinden, die sich dann mit ihren herzförmigen und durch die leichte Brise zum Schwingen gebrachten Wipfeln in Himmelsrichtung ausstrecken.
Es ist die Welt, die Adalgisa in ihren ersten Malergeschichten beschreibt, eine fast idyllische und unbefleckten Welt, als wäre sie gerade aus einem der Märchen von Andersen oder Chagalls Bilder rausgekommen. Es geht um eine glückliche Landschaft, worin sich Erinnerungen und gesammelte Erfahrungen durch prägen, als würde sie eine Fortsetzung der Kindheitswelt machen, wo alles mithilfe vom fast uranfänglich klaren Wortschatz nacherzählt wurde, welcher dauernd in ihrer kreativen Erfahrung vorhanden sein wird. Adalgisas Träume haben bis zu heutigem Tag die Matrize des freien Geistes behalten, obwohl sie in ihren Werken in verschiedenen Formen übertragen wurden. Die Blumen, Orte und Sachen, für die in diesen neuen weißen Räumlichkeiten Plätze gefunden sind, tragen die Farbe der Möwen, die mit ihren großen Flügeln frei über das Meeresblau fliegen. Es ist die Welt der Wunder, wo die ehemaligen „Farben der Untersee“ als Farben der Tiefe ihrer Seele erkennbar werden, als Farben einer Welt, die von einem imaginären Fenster beobachtet wurde, einer durch Düfte, Blütenblätter, Knospen, Gärten und Blumenbeete bereicherten Welt, die in weißes Leinen ohne Rahmen hinein getaucht wurde, wo der Zauber der inneren Gedanken wächst und wächst, bis er sich in Adalgisas Werke endlich in reines Gefühl und sichtbare Träumerei verwandelt.
Nicolina Bianchi
Herausgeberin und Direktorin der Zeitschrift Segni d'arte (Kunstzeichen)
Kritikerin der bildenden Kunst
Rom, den 8.3.2013.
DIE KATZE SOLLTE IHREN KOPF VOR EINEM KÖNIG NICHT BEUGEN – sagte Alisa)
Nicht selten passiert es, dass man durch „nackte“ Realität einen Akzent auf irgendeine Lebenssituation liegen möchte. Die Auseinandersetzung mit dem Körper. Das Verwirrtsein eines Malers, während er einem Modell gegenübersteht. Oder, die Neigung zur Phantasiewelt? Bei einem nackten Körper geht es einstellig nicht um ein Kunstmodell im Rahmen eines akademischen Kurses, der den großen und kleinen Abendakt zum Thema hat, um einen Gegenstand des Beobachtens und das Zeichnen eines Volumens, was man durch Kohle oder weichen Bleistift aufs Papier bringt. Ein Körper im Raum und auf der Leinwand. Eine „Kristallkonstruktion“ und „kubistische“ Methode von André Lhota, eine Schule, die in Rue d'Odessa 10 sowohl Dobrović und Šumanović als auch Sonja Tajčević und Vera Nikolić gemacht haben. Oder, eine romantische und mehr sensuelle Marie Laurencin. Farben, die mehr und weniger frei angesetzt sind; solch eine Handvoll von unruhigen Zügen auf der Oberflache, inmitten von einer Ordnung, die in einem Augenblick gleichzeitig als Verbreitung und Verengung vorkommt. Mit freien und scharf geschnittenen Diagonalen. Und wichtig ist es, dass man nicht zergliedert, sondern das Volumen aufbaut.
Alldas wegen des Handtrainings, Proportion des Körpers, gefrorenen Zuges. Wegen der Erfahrung beim Malen. Nicht zu sagen, dass es sich beim „introvertierten“ Zugang um ein In-Einklang-bringen handelt. Eine „Zusammenarbeit“ zwischen „Objekt“ und „Subjekt“. Wie es altmodisch klingt… Man kann es mit l'experiénce interiéure von Bataille aus 1954 vergleichen.
Ein Psalmverfasser sagt: „Ich selbst ziehe deine Kleidung bis zum Gesicht auf, damit deine Nacktheit entdeckt wird.“ Nuditas, wie man den nackten Körper benennen würde, wird in der westlichen Ikonographie zweierlei dargestellt. Man soll durchs ganz aktive, motivierte, Denken zur Reinheit, Schamlosigkeit, zum Wert und zur Süchtigkeit erreichen. Im Jahre 1524 ruft so auch Peter Vischer der Jüngere das Gericht von Paris mit drei nackten Göttinnen – Juna, Minerva und Venera – oder drei „jünger gewordenen“, in der Allegorie von Glauben, Hoffnung und Gnade verwickelten, Richterinnen, bei der graphischen Darstellung der Reformation von Luther hervor. Unabhängig davon, was geschah und geschehen wird, soll ein Sterblicher seinen Schleier bleiben lassen.
Bei der Geburt und beim Tod machen die Nacktheit und die Darstellungssituation vor dem Endgericht den ursprünglichen Zustand aus. Die Seele hat keine Geheimnisse. Die Weltnatur tellus mater, bezaubernde Wasserwesen, Najaden, Nereiden und Sirenen, aus- und angezogene Maia, „l'Ombre des jeunes filles en fleur“ erwähnt Proust. Die glänzenden Himmelshöhen und die Trauerstille der Unterwelt.
Alldiese Gedanken hat die Begegnung der Akten auf den Gemälden der Künstlerin Adalgisa Škopac in mir erweckt.
Darko Schneider
Zagreb, 21.8.2015.
EINE REISE IN DIE RICHTUNG DER INTERPRETATIONSFREIEN ABKLÄRUNG
Durch den zwischen 2011 und 2015 entstandenen Gemäldezyklus, der „Die Düfte der Farben im Weißen“ benannt wurde, wobei dieser noch immer ein offenes Ende zeigt, stellt sich Narcisa Adalgisa Škopac auf eine neue und besondere Art und Weise sowohl als Mensch als auch als Künstlerin vor. Die stellt sich nämlich vor, denn jede echte Kunst bedeutet eigentlich eine Art individueller und Weltvorstellung, Darstellung der Ansichten (jener inneren Ansichten) und Meinungen – im Groβen und Ganzen das Schälen des Einzelnen, um das Wesentliche hervorzuheben. Nicht alle schreiten diesen durch Mut gepflasterten Weg, der dem Verstand nicht naheliegt. Nur diejenigen, welche den Mut fassen, diesen Weg durchzugehen, wissen, wieviel Risiko und Genuss, Schönheit und Schmerz er im selben Moment mitbringt. Aber auch Freiheit. Und Adalgisa überschreitet bewusst den Rubikon des Figurativen und des Abstrakten und insistiert bei der Erforschung des eigenen Ausdrucks. Wird sie ihn finden? Wird sie dieses bedauern? Denn sie hat schon einmal ihren Kunstausdruck und ihr Publikum gefunden. Gibt es den Bedarf an diesem Unbekannten und Neuen? Wird sie sich verlieren und werden wir sie verlieren? Es geht hier um die Frage, die in ihrem Kopf aufgesprungen sein konnte, oder sogar musste, während sie sich für diese Ausschreitung entschied. Sie hat aber ihr Kunstcredo auch bis zu diesem Punkt schon in Änderung versetzt. Von ihr erwarten wir auch nicht mehr, dass sie beim Entdeckten und Ausgedruckten auch weiter bleibt. Ihre Bewegungslinie, deren Aufbau durch ein innerliches Muss fehlerlos geführt wird, wird kontinuierlich durch „Beweglichkeit“ verlegen, erlebt Änderungen ständig, was einerseits als ein „Unter-Frage-stellen“ und andrerseits als eine Erläuterung ihrer und unserer Welt (der bildenden Kunst?!?) vorkommt.
Falls wir Adalgisa als Künstlerin kennen gelernt haben, bei der Istrien einer der besten, aber auch hartnäckigsten, Künstler getroffen hat, welche es je in der Malerei interpretiert haben konnten und, falls wir ihre Anfangswerke und weitere Entwicklung einigermaßen kennen, dieses, bildlich gesagt, von der Unterseewasser bis zum Himmel (wo sie stark bei einer Landschaft bleibt, die sich in Form von Trauben „bewegt“ und aus Bergen und Häusern zusammengestellt ist; wo sie kräftig mit den Bäumen weitermacht, die in Form vom Herzen und Pilz vorkommen, wie auch mit der, besonders bei ihren Collagen vertretenen, Leichtigkeit), und wenn uns ihre Farb- und Motivauswahl als bekannt vorkommt, handelt es sich bei alldem, was in diesem Zyklus auf uns wartet, um eine gleichermaßen logische und innovative Ausschreitung in die Richtung der offenen Geometrie. Dabei wird die Farbe immer klarer, die Linie spielerisch frei und stärker, und die Komposition durch unerwartete Mutigkeit, aber auch Provokation verzogen. Diese Gemälde haben uns doch eine neue Adalgisa mitgebracht. Oder besser gesagt: diese Bilder selbst haben die neue Adalgisa gestaltet und sie uns vorgestellt. Ihr Istrien hat sie durchs „Aufwachsen“ in die große und offene Welt eingeführt, worin sie ist und bleibt, was sie war. Aber nun verzichtet sie auf das Bildnerische als ihre Identifikation, oder sie geht noch einen Schritt weiter, sie verzichtet aufs Überflüssige, Belastende und Verpflichtende. Auf spielerische phantasievolle und weise Art und Weise entscheidet sie sich bei „Den Düften der Farben im Weißen“, wo auch manche „rote Düfte“ eingebettet sind, bewusst fürs Bildnerische, welches keinen Bedarf in sich enthält, sich einem unter allen Fällen zu gefallen. Es geht um gute Malerei, weil die sich selbst für gut findet. Sie ist ulkig und eigenartig, was sie wichtig und inspirativ macht. Aber innerhalb dieser Gemälde gibt es auch ein Durchdringen in die Tiefen, was uns, je länger man die betrachtet haben wird, immer mehr und mehr erobern und eigene Einordnung der Sachen, Lösungen und Stellungnahmen, Einsichten und Prophezeiung in uns reinbringt.
Dieses Bildnerische, das als zweidimensional und stark engagiert vorkommt, berührt jenen Inhalt unseres Inneren, der noch als unbeendet, „sprachlos“ und spärlich blieb – eingebunden in ein Dasein, wo man sowohl keinen Ausgang noch keinen Weg finden kann. Adalgisa sucht diesen Weg nach außen. Sie sucht ihn durch ihre Malerei, aber eigentlich durch ihr Leben, ihr Dasein, ihre Seele, die sich im Ganzen zum Suchen gewidmet hat. Und gerade dieser Zyklus steht als ein Zeuge dafür da, dass der Weg des Suchens bei ihr eigentlich den Weg der Reduktion bedeutet. Wer im Rahmen der Kunst, besonders in der bildenden Kunst (aber auch Literatur, Musikkunst, Theaterkunst und andere Kunstarten sind keine Ausnahmen) keinen notwendig reduktiven Weg von horor vacui bis zum Einzelnen und Wesentlichen gemacht hat, der hat nicht so viel über die Kunst selbst gelernt. Falls sich die Mimesis in der Kunst durch Sublimierung in keinen symbolischen und autoritativen Eigenausdruck verwandelt hat, dann ist die Kunst am Anfang oder auf dem halben Weg geblieben, wobei sie wahrscheinlich nach der Schönheit des Gefallens sucht. Aber das Gefallen und die echte Kunstästhetik haben seit Langem unterschiedliche Wertsysteme und Gleise „betreten“. Adalgisa besitzt die Mut, diesen zweiten Weg der Eigenerforschung und Erreichung der eigenen Ästhetik zu wählen. Das ist aber nicht alles.
Auch früher hat Adalgisa gezeigt, dass das Interesse am Einzelnen eigentlich einen guten Weg in die Richtung der Entscheidung für die Ganzheit darstellt. Das Einzelne enthält auf eine bestimmte Art und Weise schon das Ganze. In einer Welle ist die See enthalten. Sie sucht nach diesem Ganzen im Rahmen des Verzichtens, der Vereinfachung und Reduktion. Indem Sie so zum Wesentlichen kommt, stellt sie sowohl durch die Farbe als auch durch die Linie ein anziehendes Spiel, eine verspielte Leichtigkeit und eine fast kindische Einfachheit vor, die doch als Reife und Klarheit vorkommt. Sie findet die Tiefe im Flächigen und so hat sie keinen Bedarf an der Illusion der dritten Dimension. Diese Dimension ist schon im Einzelnen vorhanden. Selbst die Farbe ist die Tiefe für sich. Und die Linie ist ein Zeichen, dass dieses Eine besteht, dass es als Zeuge und Angebot am Ganzen da ist. Bei dieser Malerei ist das Expressive durch die völlig deutliche Artikulation von einfachen, öfters auch phantasmagorischen, Gestalten und Farben, die sich von der Leinwand loslösen und vor unseren Augen kräftig spielen. Aber die berühren nicht nur unsere Augen… So werden wir durch diese Gemälde in derer Begründung eingewickelt, aber die provozieren uns auch, erklären und (vielleicht) ändern. Durch diesen plötzlichen Durchbruch vom Wesentlichen und Geschälten, was mit Einem resultiert hat, werden wir eigentlich vom Schematisierten und Gewöhnlichen entfernt und auf eigene Art und Weise in eine Welt tieferer Gründe und Fragen eines tieferen Existierens verwickelt. Bedeutet es das Zurückkehren zu einer ihrer ersten malerischen Welten, wo sie andauernd auf der Suche nach dem Frühentstandenen war?!? Geht es hier vielleicht um eine Ersetzung des verlorenen Paradieses? Und warum würde es sich auch nicht um eine Mystik von der Seite der Malerin handeln? Aber es ist nicht die Rede von den religiösen Gesprächen zwischen dem Geist und dem Sein, sondern um das Greifen eines Malers nach den geprüften Themen und nach dem geprüften Zubehör. Trotzdem ist das doch keine Absicht von Adalgisa. Ihr Rückkehren ist nur im Rahmen eines spiralen Durchdringens möglich. Es könnte sein, dass der Gedanke nach den Quellen suchen würde, aber jene Spirale des Bildenden und Schaffenden zieht aus diesem Ursprünglichen, als einer Quelle und Delta, neue Welten raus, und demnach auch neue Gestaltungen.
Indem sie sich in die Reduktion hineingelassen hat und beim Einzelnen ihre Endstation gefunden hat, hat sich Adalgisa für die Markierung entschieden. Ein Detail wird in dieser Malerei zum Symbol für Alles. Indem sie dieses Eine markiert hat, darauf in dem Maße einen Akzent gelegt hat, so dass es sowohl durch eine eigene als auch eine symbolische Sprache geprägt ist, lädt sie eigentlich zum Entdecken des Ganzen. Und Dieses wird nicht durch die Gestaltung gefesselt. Ganz im Gegenteil steht es im Vollen offen für neue und potentielle Umgestaltungen und Interpretationen. Und deswegen ist die Rede von diesem Abstrakten. Dieses „Weiße“, worin die Malerin die Elemente des Einen und Ganzen einfuhrt, „riecht“ gerade aus diesem Grund. Aus dem Weißen, in der Rolle eines Nichts, wurden neue Welten geschafft und demnach „riechen“ die. Sie riechen nach einem mimetischen Echo des frühesten Schaffens. Geht es hier eigentlich um den Geruch der Transzendenz? Vielleicht…
Bei Adalgisas Leinwänden, bzw. ihren festen Grundlagen (denn hier ist die Rede vom Öl auf Leinwand und Hartfaserplatte) geht es um offene Kompositionen. Die Malerin fühlt sich hier so wohl! Gefunden hat sie sich selbst. Ihre Farbpalette ist durch Leichtigkeit und Spiel geprägt, und die pastösen Linienzüge ändern ständig ihre Richtung, verbiegen sich, „werden dunkel“, sticheln oder schaffen einen Pünktchenregen – ihnen geht es so gut. Sie haben ihre Freiheit getroffen und dann spielen sie. Oder geht es darum, dass sich Adalgisa befreit hat, und so spielt sie?!? Durch ihr Spiel und Ahnen, ihr Nachdenken und Sich-Fragen-stellen erlaubt und bietet sie uns an, an diesem Erlebnis teilzunehmen. Deshalb spüren wir auch solch einen Geruch des Blauen und Gelben, Roten und Grünen, Schwarzen und Dunkelbraunen. Aus alldem Weißen kommen sie schüchternd heraus, „schauen“ in unsere Richtung an. Und noch dazu…
Manche, die sich in diesem Bereich auskennen, werden Adalgisas Tanz zwischen Oskar Herman, Edo Murtić und Tihomir Lončar erkennen. Einige werden andere Vorbilder und Motivation finden. Aber die realere Wahrheit wäre der Rückkehr zum Ursprung – Istrien. Diese Malerei ist kein Ergebnis einer Leere. Ihr Auslöser waren auch keine Vorbilder. Sie stellt sowohl ein logischer als auch unerwarteter Aufbau dessen dar, was die bildende Obsession der Malerin repräsentiert – Istrien – dieses terra incognita.
Es scheint, als würde uns die Malerin sagen: Indem man Istrien kennen lernt, lernt man sich selbst kennen. Und indem man sich selbst kennen lernt, macht man sich mit seinem Ursprung bekannt. Istrien stellt ein Synonym für Reisen dar. Die Destination ist das Allertiefste eines Individuums. Ein Synonym fürs Sein auch? Aber nun handelt es sich um sublimiertes Istrien. Es ist die Rede von Istrien, dessen Werte „eigenständig“ sind, sich freigemacht haben und, die zum Teil der großen Welt geworden sind. Auf diesen Leinwänden wurde Istrien zu einem allgemeinen Platz. Es stellt den Platz des Erkennens und der Verinnerlichung dar. Als Zeuge dafür steht die übriggebliebene Farbe, die selbst in die Gestaltung verwandelt wurde und, die Istrien in sich behalten hat. Aber es ist die Farbe der Seele und die Farbe des Sinnes. Ist es letztendlich nicht auch die Farbe des Daseins? Bei Adalgisa stellt Istrien, selbstverständlich, ein Paradigma fürs Dasein dar!!! Auf diese Art und Weise ist Adalgisa sich selbst und Istrien treu geblieben, aber sie ist doch weiter und tiefer gegangen. Die in ihrer Malerei stets vorhandenen statischen Elemente zeigen auch hier die betreffende Eigenschaft Istriens (jenes Istriens, das durch die Zeit, in der man lebt, und durch die Sehnsucht reingebissen wird. Das Statische wurde in die schaukelnde Korpulenz verwandelt. Aber die Bewegung, worauf in ihrer Malerei im Vergleich mit dem Statischen noch stärkerer Akzent liegt, hat sich hier ins Ulkige, freie und mutige Pinselzüge verwandelt, die ein neues Erkenntnis und einen neuentdeckten Wert des Daseins vorzeigen. Hat der Gedanke über die Ewigkeit endlich ihre Reife erreicht? Wir folgen dem Weg von Adalgisa. Sie wird uns durch ihre Ehrlichkeit und Fleißigkeit, ihren Mut und Talent auch weiterhin die Farbenpoetik, die Poetik dieses sicheren zu Einem führenden Weges entdecken können.
Anton Šuljić
Zagreb, 17.02.2016.